Samstag, 17. Mai 2008

Die wilden 80er

Es begann in den guten alten 80ern. Ich konnte Radfahren und Schrottcontainer zogen mich magisch an. Da war es kam es zwansläufig, daß mein gebrochenes Kettcar mit einem Klappradvorderteil zusammengeschraubt wurde – fertig war das „Ultramobil“. Dieses wheeliefreundliche Gefährt war mir viel zu klein aber des Spaßfaktor hat gestimmt. Und weils so schön war, haben wir gleich zwei gebaut.

Ultramobil – Wheelie? Kein Problem!

Diese Bauaktionen fanden im Garten meiner Eltern statt. Die frisch aus irgendwelchen Containern gezogenen Teile wurden „fachgerecht“ zerlegt und möglichst sinnvoll wieder zusammengabaut oder einfach für schlechte Zeiten in der Garage gelagert. Das hat meinen Eltern besonders gut gefallen... Der Herr mit dem hübschen Hut bin übrigens ich.
Schrotthaufen im Garten

Da mir normale Fahrräder zu normal waren und zu zweit fahren mehr Spaß macht, habe ich aus zwei Rahmen ein Tandem zusammengeschraubt. Das war ziemlich windig zu fahren, hier ging es aber um das Prinzip.
 
Tandem
Die eigentliche Motivation für die Schrottschrauberei waren unsere „Rallykarren“. BMX war noch nicht erfunden oder bis zu uns durchgedrungen. So habe ich mir mit ein paar Nachbarjungs Geländeräder selbst gebaut. Das Grundprinzip war: „was nicht dran ist geht auch nicht kaputt“. Ein 20“ Rahmen mit Hinterrad haben wir meist mit einer 26“ Gabel mit 26“ Vorderrad ausgerüstet. Die Radkombination hatten wir von Geländemotorrädern abgeschaut. Bremsen konnten wir nur mit dem Rücktritt. Wozu auch bremsen? Mit diesen Rallykarren sind wir jahrelang durch die Wälder gefahren, haben „Abdrängen“ , Langsamfahren und Radball gespielt und auch erste Sprünge gemacht. Das höchste der Gefühle war der „Knobbi“ 20“ Hinterreifen, der schon so etwas wie Geländeprofil hatte und den wir entgegen unseren Prinzipien teuer kaufen mussten. Nachdem schmerzlich klar war, daß Klappradrahmen bei der Belastung nicht ewig halten, haben wir die Rahmen beim freundlichen Autoschrauber um die Ecke mit zusätzliche eingeschweissten Rohren verstärken lassen.

Die „Rallykarre“ war sprungtauglich

Als das Ultramobil zusammenbrach, wurde kurzerhand aus der Rallykarre, dem Kettcarsitz, einer Bonanzaradgabel und ein paar Heizungsrohren ein netter Chopper. Natürlich stilecht im zeitlosen Nickipulli präsentiert.

Chopper, Scooterbike? Gabs schon  alles!

Schweissen & Co

1984 kam die Revolution: ein eigenes Schweissgerät. Aus einem alten Rahmen und ein paar Heizungsrohren entstand meine erste fahrbare Schweisskonstruktion. Ein Rad mit Seitenwagen ist nicht sonderlich praktisch. Das hatte ich dann auch schnell rausgefunden.
 
Rad mit Seitenwagen

Deshalb musste ein Dreirad her. Ich kannte die Bauanleitungen für Liegeränder aus der Hobbythek. Das faszinierte mich. Ich wollte aber ein noch besseres Rad bauen. Das konnte nur ein Dreirad sein. Der Witz bei dem Dreirad waren die selbstgeschweissten Kardangelenke. Ich hatte dazu nicht mehr als ein paar Blechstreiben aus dem Baumarkt, einen Schraubstock und eine Bohrmaschine. Deshalb sind die Gelenke bei der ersten Probefahrt auch gleich auseinandergefallen. Danach habe ich die Konstruktion geändert und so kam das Rad auch ohne Kardangelenge aus. Ein ernsthafter Ersatz für ein Standardrad war dieses Dreirad nicht. Dafür war es viel zu schwer und unhandlich.

 
Mein eigenes Schweissgerät

Nach dem gleichen Bauprinzip entstand aus Heizungsrohren auch ein Langliegerad, mit dem ich 1986 zusammen mit den Jungs von Fahrradladen Freilauf in Erlangen an den ersten deutschen Human Powered Vehicles Meisterschaften in Traunstein teilnahm. Der Knackpunkt an diesem Rad war neben dem langen weichen Rahmen die Schubstange für die indirekte Lenkung. Die hüpfte bei Bodenwellen einfach raus und das Rad wurde unsteuerbar. Sehr lustig.

 
Langliegerad aus Heizungsrohren

Frisch inspiriert mit den Eindrücken aus Traunstein (z.B. stellte die Firma Radius aus Münster den ersten komerziellen deutschen Langlieger vor: das „Peer Gynt“) baute ich ein Dreirad mit zwei gelenkten Vorderrädern, Hinterradfederung und aerodynamischer Frontverkleidung aus einem Kinderschirm. Das Rad fuhr recht gut, hatte aber wegen einer falschen Lenkgeometrie einen gnadenlosen Verschleiss der Vorderradreifen. Immerhin hatt das Lenkgestänge Kugelköpfe, so dass die Lenkung auch auf unebener Strecke funktionierte, ohne dass etwas auseinanderfiel.

Dreirad mit 2 gelenkten Vorderrädern

Nach dem gleichen Prinzip baute ich einen Langlieger mit Hinterradfederung. Ein Türanschlag aus Gummi war das Federelement. Dieses Rad war mein erster langstreckentauglicher Selbstbau. Mit diesem Rad bin ich von Erlangen bis Münster und viel im Alltag gefahren.

Langliegerad nach demselben Bauprinzip

Hartlöten & Co

Über den Kontakt zu Freilauf wurde ich Mitarbeiter der Fahrradwerkstatt im Erlanger E-Werk. Hier stand mit eine ganz neue Welt offen. Ich entdeckte das Hartlöten als Rahmenbaumethode und baute ein Dreirad, das eine einstellbare Lenkgeometrie, einseitig aufgehängte Vorderräder und einen kardanisch aufgehängten Lenker hatte. Dieses Rad war nicht mehr aus Heizungsrohren, sondern aus nahtlos gezogenem Rohr gebaut. Mit diesem Rad konnte ich richtig schnell fahren. Trotz einer guten Lenkgeometrie war der Reifenverschleiß enorm. Die flache Sitzposition und die Spurweite von 90cm sind für viele Alltagswege ungeeignet. Deshalb verlor ich trotz des grossen Fahrspasses die Lust an weiteren Dreirädern. Ich habe zwar noch einen weiteren Rahmen begonnen aber nie zuende gebaut.

KWADRAD – ein schnelles Dreirad mit hartgelötetem Rahmen

Das erste richtige alltagstaugliche Rad war ein Langlieger. Der Rahmen war leicht, das Rad verhältnismäßig wendig. Eine abnehmbare Frontverkleidung sorgte für Wetterschutz. Der Sitz war mit luftdurchlässigem Material bespannt. Dieser Rahmen hat mit der Zeit an vielen Stellen Risse bekommen, die ich wieder geflickt habe. Einmal ist mir in Erlangen das Tretlager abgebrochen. Also bin ich in die Werkstatt gefahren und habe es wieder angelötet und mit einigen zusätzlichen Blechen verstärkt. So habe ich viel darüber gelernt, wo hohe Belastungen entstehen und wie ich sie beim Rahmenbau berücksichtigen muss.

Mein erster und letzter guter Langlieger

Irgendwo hatte ich das Prinzip der Kurzliegeräder entdeckt. Damals gab es noch eine leidenschaftlich geführte Diskussion darüber, wie hoch das Tretlager im Verhältnis zum Sitz sein darf. Angeblich war eine Sitzposition mit Tretlager 25cm unter dem Sitz optimal. Das ist beim Kurzlieger kaum zu machen und so mußte mein erster Kurzlieger ein deutlich höheres Tretlager haben. Das war – wie sich herausstellte – ergonomisch gar nicht so übel. Bei den europäischen HPV-Meisterschaften im bergischen Nümbrecht lernte ich den Windcheetah-Erbauer Mike Burrows und holländische Konstrukteure kennen. Sie hatten Vollverkleidungen aus Stoff gebaut und waren damit sehr schnell. Deshalb bekam das Rad eine Frontnase aus glasfaserverstärtem Kunstharz und eine Vollverkleidung aus Stoff. Mit diesem Rad fuhr ich 1989 das erste und leider einzige HPV-Rennen bei einer Tour de Sol mit. Dieses Etappenrennen war ein Riesenspaß. Die HPVs waren z.T. deutlich schneller als die Solarmobile. Hier lernte ich auch Christian Uwe Mischner (CUM) von Flux Fahrräder kennen.


Der erste Kurzlieger – mit Vollverkleidung aus Stoff

Mit dem selben Rad trat ich 1989 bei den offenen Erlanger Stadtmeisterschaften an – und habe das Rennen zu meiner eigenen Überraschung gewonnen. Unterwegs hatte ich noch Zeit, ein bischen für die Fotografen zu posen. Das war der klare Beweis, daß die Vollverkleidung große aerodynamische Vorteile bringt. Die Farbe der Verkleidung war übrigens nach den Preisen der Stoffe ausgewählt.

Erlanger Stadtmeisterschaft 1989

Um 1989 fuhr ich hin und wieder mit ein paar Leuten von Freilauf mit einem ausgeliehenen Mountainbike über den Hetzles oder die Kalchreuther Trails. In diesem Jahr fuhr ich auch mein erstes MTB-Rennen.

MTB mit Ralf Schmitt