Mittwoch, 12. August 2009

Der Horrorkonsument

Ich gehöre zu einer Kaufkraftgruppe, die gerne umworben wird. Aber es gibt ein Problem: ich mache nicht alles im Einzelhandel mit. In Fachgeschäften lasse mich gerne beraten und schaue beim Kauf dann nicht auf den letzten Euro. Aber wenn ich Hemden oder Unterhosen kaufe, brauch ich keine Beratung. Dann möchte ich so schnell das passende Langarmhemd finden, 5 von der richtigen Größe ainpacken und zahlen. Meine Größe kenne ich ja.
So einfach ist es aber nicht: ich erkenne schon gar nicht, ob es ein Kurzarm- oder ein Langarmhend ist. Das steht nämlich nicht drauf. Eine Verkäuferin ist auch nicht in der Nähe. Also bin ich schon wieder weg und raus aus dem Laden.
Und was heisst eigentlich Langarmhemd? Haben wir ein Land voller Kriegsinvaliden? Den Begriff hat wahrscheinlich Jan Ulrich geprägt. Der stellte nach einem verlorenen Rennen klar, er habe "schlechtes Bein" gehabt. Logisch. Wer mit nur einem Bein Rennen fährt und dann auch noch schlecht drauf ist, muss sich über das Verlieren keine Sorgen mehr machen.
Ich bin ein Kaufhauskäufer. Da gibt in der Herrenabteilung nämlich noch eine große Auswahl an Hemden. Das wird es bald nicht mehr geben. Wo kommen wir denn hin, wenn alle Hemdem gleich aussehen und die Marken beliebig durcheinander liegen? Man könnte auf die Idee kommen, daß Marken gar nicht so wichtig sind... Aber die Markenstrategen haben Abhilfe: den Markenshop. Er breitet sich aus. Mittlerweile findet man ihn überall. Sogar in Kaufhäusern. Hier kann ich nur das kaufen, was zu einer Marke gehört. Für mich heisst das: ich muss von Markenshop zu Markenshop laufen. Also ich brauche ich mehr Zeit, um das Passende zu finden. Ich kann schlechter vergleichen. Ich muss mich von der Markenlogik blenden lassen. Lebenszeitverschwendung. Solche Läden meide ich!
Ich kaufe keine Dominosteine und Nikoläuse im August. Erbeeren kaufe ich im Juni. Die schmecken dann sogar nach mehr als Wasser. Im Februar - draussen klirrt die Luft bei minus 10 Grad - erdreiste ich mich, noch Handschuhe kaufen zu wollen. Leider liegen in den Regalen schon die luftigen Frühlingstops. Ich frage mich, wer die dann kauft. Ich habe kein i-phone, nur weil Apple ein bemerkenswert gutes Marketing für ein eher mittelmäßiges Produkt macht. Auf dem i-phone kann man jetzt sogar Texte kopieren. Respekt! Nur - das konnte 1996 schon mein Psion 3a.
Leider hat bei mir der schleichende Erziehungsprozess, mit dem Markenstrategen, Disponenten und Chefeinkäufer der Handelsfirmen ihre Konsumenten formen wollen, bisher nicht gegriffen. Ist das Sturheit oder echtes Konsumbewusstsein? Oder bin ich einfach out?