Samstag, 17. Mai 2008

1990 Professionalisierung

Bei den Erlanger Stadtmeisterschaften 1990 trat ich mit einem Kurzliegerad an, das mit einer halbfesten Verkleidung ausgerüstet war. Die Verkleidung hatte einen Rahmen aus PVC-Installationsrohren. Diese waren mit einem Heißluftföhn in die richtige Form gebogen und mit Kabelbindern zusammengehalten. Über den Rahmen hatte ich eine Malerfolie geklebt und mit einem Heißluftföhn gespannt. So entstand eine 3m lange Vollverkleidung, die nur gut 2kg wog. Die Konstruktion war sehr seitenwindanfällig. Deshalb erreichte ich bei dem Rennen „nur“ Platz 2.

 
Erlanger Stadtmeisterschaft 1990 mit Gewächshausverkleidung

 Noch im selben Jahr baute ich das erste Rad mit Hinteradfederung. Der Rahmen hatte schon eine sehr vorzeigbare Qualität. Saubere Lötnähte und eine gute Lackierung boten auch etwas für das Auge.

Kurzlieger mit Hinterradfederung

In diesen Jahren baute ich zusammen mit Bernhard Klar etwa 10 „Fastes bike in town“-Rahmen. Diese Kurzliegeräder hatten einen Hinterbau aus einer modifizierten MTB-Vorderradgabel und einem ovalisierten Hauptrohr. Diese Räder bekamen Sitze aus glasfaserverstärktem Kunststoff, die wir zukauften. Die Rahmen waren sehr elegant und wurden auch auf der Kölner IFMA ausgestellt.

Rahmenlöten in der Erlanger Fahrradwerkstatt

Fastest bike in town

Die Z2 Vollverkleidung

Durch die Erfahrungen mit Vollverkleidungen beflügelt, wollten CUM, Hans Karl, Peter Irl, Bernhard Klar und ich ein Rennfahrzeug bauen. Hans Christian Smolik hatte mir die Urformen für seinen Volksvektor gegeben, der einen sensationellen cw-Wert von 0,06 hatte. Bald war uns klar, daß die Form zu klein für ein Wettbewerbsfahrzeug war und es 100.000 DM kosten würde die Verkleidung weiterzuentwickeln. Deshalb entschieden wir uns, eine alltagsnahe Verkleidung zu bauen. Wir entwickelten die Grundform weiter und Hans Karl arbeitete das Modell aus einem 3m langen Styroporklotz heraus. Die Feinarbeit und die Negativformen bauten Ingolf und Roy Korytko, die im Automobilrennsport arbeiteten. Die Z2-Verkleidungen bestanden aus einem Sandwich mit glasfaserverstärktem Kunststoff. Dadurch hatte die Verkleidung eine sehr hohe Eigensteifigkeit und bot einen guten Crashschutz, was wegen der hohen erreichbaren Geschwindigkeiten sehr wichtig war.

 
erste Probefahrten mit der Z2

Das Fahren mit Vollverkleidung stellt hohe Ansprüche an das Fahrwerk eines Rades. Ich hatte für meine Z2-Verkleidung ein Kurzliegerad mit relativ langem Radstand von 1,15m und Vollfederung gebaut. Die Vorderderradfederung saß im Steuerkopf, wo zwei in Teflonbuchsen gelagerte Rohre ineinander glitten – ähnlich wie das Headshocks-System von Cannondale. Mit diesem Fahrwerk konnte man problemlos Treppen herunterfahren. Der Rahmen hatte verstellbare Befestigungspunkte, an denen die Verkleidung verschraubt wurde. Der Sitz in der Verkleidung war klappbar, so daß hinter dem Sitz ein großer Raum als Gepäckfach nutzbar wurde. Bernhard Klar klebte in seine Z2-Verkleidung einen Kohlefaserrahmen so ein, daß die Verkleidung tragendes Element war. Dadurch konnte er zusätzliches Gewicht sparen. Die Z2-Verkleidungen wog je nach Ausführung in Glasfaser oder Glasfaser/Kevlar  zwischen 6.5 und 8 kg. Über den Verkauf von Verkleidungen finanzierten wir zumindest die Entwicklungskosten, so daß wir am Ende niemand draufzahlte.

Meine Z2 mit vollgefedertem Fahrwerk

Die Z2 im beim Alltagstauglichkeitstest bei einem schweizer Rennen. Gut zu erkennen der klappbare Sitz aus Glas/Kevlar mit dem dahinter liegenden Kofferraum.

 

Rennen um die Nürnberger Altstadt 1992


Sehr lustig war die Geschichte mit dem Rennen um die Nürnberger Altstadt 1992. Bernhard Klar, Thomas Klein und ich traten im offenen Jedermannrennen mit drei vollverkleideten Liegerädern an. Wir hatten vorher beim Sportamt der Stadt Nürnberg brav nachgefragt, ob das denn ginge. Da im Starterfeld eine furchtbare Drängelei herrschte, starteten wir aus der letzten Reihe. Nach 1,5 Runden hatte ich die Führenden eingeholt, in der zweiten Runde überholte ich auf der Abfahrt am Rathenaupatz den lahmen Führungsmercedes :) . Wir haben am Ende die ersten drei Plätze belegt. Ich hatte selbst nicht damit gerechnet. Die Rennradler waren total sauer und die Presse aus dem Häuschen. Die Organisatoren haben schnell noch Preise für die Plätze 4-6 organisiert. Bei der Siegerehrung kam ein freundlicher Herr auf mich zu und gratulierte mir “auch von seiner Seite”. Als ich ihn fragte, von welcher Seite er denn sei, sagte er “Schönlein, Oberbürgermeister”. Bloss kein Fettnäpfchen auslassen... Jedenfalls gibt es seit 1993 eine eigene Klasse für Liegeräder bei diesem Rennen, bei dem es mittlerweile Weltcup Punkte gibt. Dank an das Sportamt Nürnberg und Herrn Thielemann!

Zieleinlauf Interview Siegerehrung

Human Powered Vehicled Europameisterschaft im München 1992

Die Z2_verkleidung hatte ein paar Kinderkrankheiten. Deshalb bauten wir einen verbesserten Nachfolger – die CANARD-Verkleidung. Diese hatte einen asymstrischen Deckel, der den Einstieg erleichterte, eine verbesserte Belüftung mit NACA-ducts und eine veränderte Form.
CANARD-Verkleidungen noch ohne radspezifische Ausschnitte

Liegeradladen „Staubach & Klar“


Im gleichen Jahr gründete ich mit Bernhard Klar zusammen den Liegeradladen „Staubach & Klar“ in Erlangen (später „RAPID“).

Wir haben Serienlienliegeräder und eine kleine Serie des selbstentwickelten Kompaktliegers „NJOY“ verkauft. Der Laden gab uns die Möglichkeit, verschiedene Entwicklungen zu vergleichen und eigene Entwicklungen voran zu treiben. Das Bild in der Mitte zeigt die unterschiedlichen Sitzhöhen dreier Liegeradtypen.
Staubach & Klar von innen  -  verschiedene Radtypem im Vergleich

Ich baute ein Experimentalfahrzeug mit  Frontantrieb. Die Kettenführung war nicht optimal. Deshalb wurde die Lenkung vom Antrieb beeinflußt. Ich erkannte nicht, daß ein paar einfache Anpassungen das Konzept deutlich verbessert hätten. Das tat ein Jahr später Sergio Gomez, der Teilhaber im Laden wurde. Er entwickelte maßgeblich das Frontantriebskonzept und damit die Grundlage für die erfolgreichen ZOX-Liegeräder.

Das erste Rad mit Frontantrieb

FEROCE nannte ich das Rad, das ich aus den Spezialrahmenrohr der Firma Flux und einem Hinterbau aus 0,5mm starkem Material baute. Die Hinterbaurohre wurden ursprünglich für den Hauptträger für Flugdrachen verwendet. Das Rad war leicht, hatte mit seinem obenliegenden Lenker einen geringen Luftwiderstand und war sehr gutmütig zu fahren. Damit machte ich 1994 einen Radurlaub über den Grossglockner in die Dolomiten. Die Bergtauglichkeit des Rades war damit bewiesen.

Dolomitentour 1994

Leider wurde das Rad bei einem Unfall während eines Rennens in der Schweiz ausgerechnet am dünnwandigen Hinterbau schwer beschädigt L
Auf dem Weg zum Staller Sattel – der Hinterbau sah schon einmal besser aus

1994 machte Axel Fehlau mehrere 24h Weltrekordversuche auf der 400m Radbahn in Leipzig. Das Record Committee der  International Human Powered Vehicles Association akzepzierte mich als record observer und so wurde ich zum ersten mal Sportfunktionär. Axel hat den Rekord erst ein Jahr später auf der 250m-Bahn in Düsseldorf-Büttgen aufgestellt. Er ist dabei 4086 Runden (!) im Kreis gefahren und hat in 24h 1021km zurückgelegt. Da ich das nicht mit der Hand zählen wollte J, hatte ich für den Rekord einen Rundenzähler mit Lichtschranke und entsprechende Auswertesoftware gebaut. Axels Rekord ist bis heute ungebrochen.

Axel Fahlaus Rekordversuche auf der Leipziger Radbahn

Während dieser Zeit war ich viel auf den Autoteststrecken und Radstadien Deutschlands und Umgebung unterwegs. Um schneller voranzukommen, baute ich mir ein Faltrad mit Tasche aus LKW-Plane.

Faltrad mit Tasche aus LKW-Plane

ZOXbikes.com

1995 experimentierte ich zusammen mit Sergio Gomez an einer Verbesserung der 1994 gestarteten Versuche mit Frontantrieben. Sergio hatte in der Zwischenzeit ein Mountainbike mit Allradantrieb gebaut und so einige Erfahrung mit dem Thema gesammelt. Ich konstruierte einen Rahmen mit einer einfachen in den Rahmen integrierten Hinterbaufederung, Sergio steuerte seinen Frontantrieb zu. Dabei kam ein Rad heraus, das uns spontan beeisterte. Durch die gleich großen 26“ Laufräder waren die Fahreigenschaften ähnlich einem Mountainbike. Das Rad war dank des Vorderrandantriebes äußerst gutmütig, der Rahmen optisch aufgeräumt und einfach zu fertigen. Mich begeisterte dieses Rad so sehr, daß ich damit sofort zur europäischen HPV-Meisterschaft nach Lelystad in Holland fuhr. Das Rad war noch unlackiert und dank einer ausreichenden Menge an Tape und Pappe bauete ich vor Ort noch schnell eine Heckverkleidung (siehe rechtes Bild). Dieses Rad war so gutmütig und einfach zu fahren, daß ich ein eigenes haben musste!

Das erste ZOX bei der HPV-EM in Lelystad (Holland)

Dieses Rad baute ich zusammen mit Sergio Gomez aus dem auf Liegeräder abgestimmten Rahmenrohr der Firma Flux. Die Umlenkrolle mit ihren Löchern glich einer Telefonählscheibe. Deshalb nannte ich es „Telefono“. Der Rahmen war äußerst stabil und war Vorbild für die Serienrahmen der späteren Firma ZOX in Erlangen. Da ich das 540km Rennen von Trondheim nach Oslo mitfahren wollte, nahm ich das Rad zum Trainingslager nach Mallorca mit. Dieses Trainingslager hat das Rad leider nicht überlebt, weil Gunnar Fehlau mit dem ausgeliehenen Telefono einen 3er BMW rammte. Glücklicherweise war die 3000DM teure SRM-Leistungsmesskurbel an diesem Tag nicht montiert J. Den verbogenen Kurbelarm verlieh ich Gunnar, der den Unfall glücklicherweise leicht verletzt überstand, später als „Highway-to-hell-award“.

Das Telefono in seiner Geburtsphase

Telefono vor und nach dem Unfall – Gunnar bekommt den „Highway-to-hell-award“

Trondheim-Oslo (540km) fuhr ich im Jahr 1996 in einer Zeit von 22:53 mit einem ultratiefen ZOX 20 Ultratief mit 25 cm Sitzhöhe und einer Heckverkleidung. Das Rennen war eine einmalige Erfahrung und ich kann jedem trotz der lange Anreise empfehlen diese einmalige Stimmung und die Begeisterung um die Sommersonnenwende in Norwegen zu erleben.

Trondheim Oslo 1996 – es waren auch andere Fahrer mit Liegerädern unterwegs

Das ZOX 20 Ultratief  hatte 20 Zoll Laufräder und einen sehr kompakten Rahmen. Die Sitzhöhe war auf 18cm absenkbar, was hervorragende aerodynamische Eigenschaften mit sich brachte. Mit dem Rad fuhr ich einige Rennen, verkaufte es aber später, weil es mit für den Einsatz auf der Straße zu niedrig war.
Zox 20 Ultratief

Das Prinzip der ZOX Räder war auch mit Verkleidung anwendbar. Die gleichgroßen Laufräder bewirken ein sehr ausgeglichenes Fahrverhalten, was besonders beim Fahren mit Vollverkleidung und den damit verbundenen hohen Geschwindigkeiten nützlich ist. Mit dem ZOX 26 hatte ich mein optimales Liegerad gefunden. Seitdem habe ich keinen einzigen Liegeradrahmen mehr gebaut.

Rennen um die Nürnberger Altstadt 1995: ZOX 26 mit Stoffverkleidung

1995 hatte ich zusammen mit mehreren Leute die Idee, einen faltbaren Roller zu bauen. 1995 baute ich einen funktionsfähigen Prototypen. Wir haben diesen Roller allerdings nie serienreif entwickelt. Wer konnte schon ahnen, dass einige Jahre später genau solche Roller in Millionenstückzahlen ein Markrenner waren. Immerhin fuhr ich mit diesem Gefährt zu meiner Hochzeit zum Standesamt.

Tretrollerprojekt und Projekt Hochzeit